Neulich beim Fischer

Der Ort hier ist ein beschaulicher Urlaubsort an der Ostsee. Alte Bundesländer. Wären nicht auch viele Familien mit kleinen Kindern hier, läge das Durchschnittsalter der Urlaubsgäste etwa bei 70. Ich kann mir auch gut vorstellen, im dritten oder vierten Lebensabschnitt hier ein paar entspannte Wochen zu verbringen. Derzeit viel Sonne, hin und wieder etwas Wind um die Nase und die Verpflegung ist auch sehr gut. So gibt es hier auch jede Menge Fisch. Wir sind halt an den Küste. Wobei – an der Nordsee war das immer schwierig mit dem Fisch. Aber das ist eine andere Geschichte.

Fischerhaus

Hier ist der Fisch so frisch, dass man schon mal ein paar Minuten warten muss, bis der Fischer die Kisten von seinem Boot, mit dem er gerade am Strand gelandet ist, in die kleine rote Hütte geschafft hat. Dieses Boot ist schon von weitem erkennbar, denn es kreisen immer eine Menge Möwen darum. Während der Fahrt zurück von seiner Tour, putzt der Fischer die Fische. Köpfe und Innereien über Bord. Ein Festmahl für die Möwen.
So ähnlich wie die Möwen um das Boot scharen sich auch Touristen schon frühzeitig um die Fischerbude. Die geplante Öffnungszeit entnehmen sie einer Kreidetafel, die an der Strandpromenade steht und auch das voraussichtliche Menü ankündigt. Schon mehr als eine Stunde vorher landen die ersten Rentner auf den Monoblock-Plasikstühlen, die vor der Hütte stehen. Nach und nach werden es immer mehr. Viele kennen sich. Schließlich kommt man schon seit Jahren hierher. Wie in Hitchcocks „Die Vögel“ sitzen sie dort und belagern die Hütte. Kompetenz in Sachen Ferienort und Fischerei wird in Gesprächsfetzen vorgetragen.

Dann plötzlich Unruhe. Das Boot mit den Möwen wurde gesichtet. Ja, das muss er sein. Wen hat er denn da bei sich? Die Stühle werden zur Seit geschoben. Eine Schlange bildet sich – allerdings mit einem ziemlich dicken Kopf, den einige der Profis wissen: Auch wer später kommt, sollte vorne dabei sein. Sonst gibt es eventuell nichts mehr.
Der herbei getragene Fang wird kommentiert – das is‘ aber nicht viel! Und dann beginnt der Verkauf. Die Schlangenprofis drängen mit ihrer gesammelten Erfahrung die Quereinsteiger zur Seite. Der Fischer verkauft seine Fische und sagt sonst nicht viel. Hier zehn Schollen, da drei Dorsche. Die Flundern erst noch einen Tag im Kühlschrank lagern. Nee, der Steinbutt ist eher zum Kochen. Scholle, Kliesche und Flunder leicht mehliert braten. Die Kisten werden langsamer leerer. Einige in der Reihe mosern schon rum. Ein kleiner Junge ist besorgt, dass seine Familie nichts zu essen bekommt. Der Vater beruhigt seinen Sohn: Irgendwas wird’s schon noch geben.

Ich erstehe drei Flundern. Die gibt’s dann halt erst morgen.

Die älteren, erfahrenen Fischkäufer ziehen mit ihren Plastiktüten davon. Heute hat es sich gelohnt. Morgen würden sie gerne wiederkommen, aber es ist schlechtes Wetter angesagt. Der Fischer kann nicht rausfahren. Aber übermorgen wieder. Zeit neue Kraft zu sammeln und die Schlangenvermeidungstaktik zu noch etwas verbessern. Fischkauf ist Überlebenskampf so scheint es. Aber zunächst verfällt der Ort wieder in seine etwas schläfrige Beschaulichkeit.

Die Flundern waren übrigens sehr lecker.