In einem Interview am Rande der Bundesversammlung interpretierte die Kandidatin der Linken, Fr. Jochimsen, die Vermutung, das große Interesse an der Wahl des Bundespräsidenten als ein Indiz dafür, dass die Politikverdrossenheit gar nicht so groß sei. Diese Sicht teile ich überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil:In einer Zeit, in der sich viele Menschen mit den etablierten politischen Parteien schwer tun – z. B., weil diese nicht mehr authentisch sind, – stellt eine dieser Parteien als Kandidaten der Koalition einen Vollblutpolitiker auf, der aus der vordersten Linie der Tagespolitik kommt. Und das, nachdem wir einen Bundespräsidentan hatten, der dem Politzirkus hin und wieder auf die Finger geklopft hat. Was soll man denn da noch von dem Neuen erwarten? Ungeachtet der Frage, ob Hr. Wulff das kann – ich traue ihm durchaus zu, dass er eine neutrale Rolle einnehmen könnte, wenn er denn dann gewählt wird, – schwingt immer ein ungutes Gefühl mit, wenn die politische Kaste einen der ihren an eine strategisch wichtige Stelle setzt.
Und da wollen viele sicher gerne wissen, was Sache ist, wer es denn nun wird, ob das politische System sich wieder durchsetzt, oder ob man sich mal mit Querschlägern auseinander setzen muss. Für den Moment ist das zwar spannend. Aber ansonsten muss die Politik wieder zu den Sachfragen zurück kehren, die strategischen Baustellen (z.B. NRW) beseitigen und sich den anstehenden Herausforderungen – um nicht zu sagen „Problemen“ – widmen. Nötig wäre es.
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