Twitterlesung = Karneval 2.0?

Als ich mir vor – sagen wir mal – 30 Jahren zum ersten und einzigen Mal eine Kölner Karnevalssitzung ansah, war ich ein wenig erstaunt. Da standen, unterbrochen von einigen Tanznummern, verschiedene Gestalten auf der Bühne und erzählten mehr oder weniger schwungvoll Witze. Keine Spur von Bezug zum Tagesgeschehen, zur Politik oder sonstigen aktuellen Themen. Nein, ein Kalauer reiherte sich an den anderen. Und das Erstaunlichste daran war, dass ich den größten Teil davon (gefühlt 99%) schon länger kannte.

Warum ich das schreibe? Twitterlesung ist so ähnlich. Da stellen sich einige „Szene-People“ hin und lesen Tweets vor. Viele davon sind komisch; von den Tweets. Einige davon kennt man schon, wenn man den entsprechenden Leuten „followed“. Ist das ganze also so eine Art Fastnachtssitzung für die Digital {Natives, Immigrants, …}? Abgesehen mal davon, dass einige Tweets ein wenig mehr aktuellen Bezug hatten, als seinerzeit die Witze in Kölle, hat es schon gewisse Ähnlichkeiten. Aber vielleicht gibt es noch eine andere Ähnlichkeit: Wenn man mitmacht – also selber twittert und Tweets liest, tut’s gar nicht so weh und macht bis zu einem gewissen Grad Spaß – auch wenn man sich hinterher fragt, worin nun der „Gewinn“ lag. Bei Fastnacht ist das ja auch so. Von innen sieht es viel normaler aus. Ich nenne das den „Oktoberfest-Effekt“: Am Anfang denkt man sich: „Was sind das für Bekloppte, die da auf die Bänke und Tische steigen?“ und einige Maß später führt man selber die Kolone der „Bergsteiger“ an.

Während ich als Mainzer der Fastnacht (im Gegensatz zum Kölner-Kalauer-Karneval) bis zu einem gewissen Grade langfristig verbunden bin, bin ich gespannt, ob ich mir weitere Twitterlesungen angucke. Vielleicht ist es ja auch hier so, dass das live nochmal was ganz anderes ist als im Stream.

Tweet, und weg. Narrhallamarsch, un‘ ab…

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